Ordnungswandel durch Umkehrung einer Normenhierarchie : Der Schutz geistigen Eigentums und das Recht auf Gesundheit

Scholz, Saskia, 2014
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Medienart Buch
ISBN 978-3-942532-73-0
Verfasser Scholz, Saskia Wikipedia
Verfasser Wolf, Klaus Dieter Wikipedia
Systematik Dok - Dok
Schlagworte urheberrecht, trips - abkommen, eigentumsrecht
Verlag HSFK
Ort Frankfurt/Main
Jahr 2014
Umfang 31 S.
Altersbeschränkung keine
Reihe HSFK - Report
Reihenvermerk 5
Sprache deutsch
Verfasserangabe Saskia Scholz ; Klaus Dieter Wolf
Annotation Zusammenfassung
Wir untersuchen in diesem Report die Grün
de für den erfolgreichen Widerstand auf-
strebender Nationen und ihrer zivilgesellsch
aftlichen Bündnispartner gegen die für die
liberale Welthandelsordnung zentralen Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums. Diese
regulieren den Handel von Immaterialgütern und wurden 1994 mit dem „Über-
einkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums“ (
Trade-
related Aspects of Intellectual Property Rights
, TRIPS) in das Welthandelsregime
aufgenommen. Der Widerstand gegen diese
Regulierungen war auf die Durchsetzung
alternativer Ordnungsvorstellungen ausger
ichtet, die einen Vorrang des Rechts auf
Gesundheit vor der Patentierung von lebensnotwendigen Medikamenten reklamieren
und damit den Handel mit staatlich lizenzierten Generika-Produkten zugunsten der
öffentlichen Gesundheit als legitimes Instrument der Gesundheitspolitik ansehen. Dabei
ist es nach einer Phase des konfrontativen Umgangs mit den ursprünglich als
„Produktpiraten“ gebrandmarkten Herausforderern des Patentregimes zu einer Umkehr
der Normenhierarchie zugunsten der von di
esen propagierten Normvorstellungen im
Rahmen der bestehenden Welthandelsordnung gekommen.
Die Aufnahme von Regeln zum umfassenden Sc
hutz geistigen Eigent
ums in das liberale
Welthandelsregime war bereits im Vorfeld
der Verabschiedung des TRIPS-Abkommens
hoch kontrovers. Das Monopol an Patentrechte
n wurde dafür verantwortlich gemacht, dass
einem Großteil der Weltbevölkerung aufgrund
zu hoher Preise der Zugang zu unverzicht-
baren Arzneimitteln verwehrt bleibt. Produz
enten billigerer Generikaprodukte wurden
dennoch zunächst als gegen die etablierte
internationale Ordnung verstoßende Norm-
verletzer behandelt: So im Fall Südafrika, als es, um der gravierenden HIV/AIDS-Epidemie
im Land zu begegnen, 1997 ein Gesetz vera
bschiedete, welches Maßnahmen wie Generika-
Substitutionen und Parallelimporte patentiert
er Medikamente beinhaltete. Südafrika wurde
von den USA daraufhin auf eine „
Watch List
“ gesetzt und von 40 Pharmaproduzenten
verklagt, die in dem Gesetz eine Verletzung der TRIPS-Standards sahen.
Auf der WTO-Ministerkonferenz in Doha wurde 2001 jedoch ein Regimewandel
beschlossen, mit dem der Zugang zu Medikamenten als eine Norm zur Durchsetzung des
Menschenrechts auf Gesundheit Anerkennung fand, die auch in der Welthandelsordnung
Berücksichtigung finden muss. Seither räumt diese dem Recht auf Gesundheit Vorrang vor
dem Recht auf geistiges Eigentum ein. Normativ begründeter Widerstand hat zu einer ver-
änderten Normenhierarchie geführt. Heute be
darf der Schutz von Patentrechten und nicht
mehr der Anspruch auf die Gewährleistung öf
fentlicher Gesundheit der Rechtfertigung.
Vor diesem Hintergrund gehen wir in dies
em Report der Frage nach, wie es dazu
kommen konnte, dass eine zunächst erfolgreich diffamierte Allianz aus zivilgesell-
schaftlichen Organisationen und Staaten, die unter Berufung auf das Menschenrecht auf
Gesundheitsversorgung den patentrechtlichen Schutz lebensrettender Medikamente
durch den Handel mit staatlich lizenzierten
Generika-Produkten unterlaufen hatte, heute
das Recht auf ihrer Seite hat. Dabei interessiert uns, wie der Widerstand von Staaten wie
Indien, Brasilien, Südafrika, Thailand oder den Philippinen und ihrer zivilgesell-
schaftlichen Bündnispartner über einen zunä
chst höchst konfrontativen Konfliktaustrag letztlich zu einem kompromissgeleiteten
Ordnungswandel führen konnte. Besonders
erklärungsbedürftig erscheint dabei der We
g von der ursprünglichen Delegitimierung
abweichender Ordnungsvorstellungen und darauf gestützter Praktiken hin zur
Anerkennung ihres Vorranges gegenüber dem Schutz von Patentrechten. Im Konflikt-
verlauf lassen sich hierzu die Stadien „Etabl
ierung einer liberalen normativen Ordnung“,
„normgestützte Anfechtung dieser Ordnung“, „Delegitimierung abweichender
Ordnungsvorstellungen“ und schließlic
h „Anerkennung und Ordnungswandel“
nachzeichnen.
Bei der Rekonstruktion dieses Verlaufsmusters verstehen wir das TRIPS-Abkommen
exemplarisch als einen Bestandteil der liberalen Weltordnung. Die genauere Betrachtung
des Konflikts zwischen internationalem Patentschutz und dem Recht auf Gesundheit
kann daher auch über den konkreten Fall hinausweisende Einsichten darüber vermitteln,
unter welchen Bedingungen sich Ordnungswandel vollzieht.
Wir stellen zunächst das TRIPS-Abkommen als Teil der bestehenden liberalen
Welthandelsordnung sowie die sie tragenden
Akteure vor. Es folgt eine Analyse des
Konfliktaustrags. Danach wenden wir uns der Delegitimierung der widerständigen
Normvorstellungen und Praktiken zu, die in der Anerkennung ihres Vorranges mündete.
Daraufhin untersuchen wir die Beding
ungen, die den damit erfolgenden
Ordnungswandel ermöglicht haben. Als vermutlich über den untersuchten Fall
hinausweisende Ermöglichungsbedingungen di
eses Regimewandels ziehen wir zum einen
normbezogene Faktoren heran, des Weiteren Merkmale und Strategien der
Konfliktakteure und schließlich externe Fa
ktoren wie besondere Krisenerscheinungen
oder Katastrophenerfahrungen, durch di
e sich Möglichkeitsfenster öffnen und
Veränderungen in Normenhierarchien ergeben konnten. Schließlich stellen wir in den
Schlussfolgerungen Überlegungen dazu an
, wie der Wandel einer angefochtenen
normativen Ordnung ohne die im untersuchten Fall durchlaufene Phase der
konfrontativen Zuspitzung und Radikalisierung des Konfliktaustrags gelingen kann.
Dabei werden insbesondere Anforderungen an eine institutionelle Architektur formuliert,
die einer Strategie des „Institutionenhoppi
ng“ entgegenwirken. Diese Isolierung und
mangelnde Responsivität eines aus strategischen Gründen präferierten
Verhandlungsforums kann, wie der von uns untersuchte Fall zeigt, zu einer falschen
Strategiewahl verleiten und Kosten erzeugen
. Um diese Kosten zu vermeiden und um
zugleich Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Ordnungswandel ohne den
Umweg über Regelverstöße und Delegitimierun
gsstrategien vollziehen kann, wäre eine
Governance
-Architektur erforderlich, die, weitaus systematischer als dies heute der Fall
ist, auf eine Verkoppelung verschiedener Institutionen setzt und mit deren Hilfe
Ordnungskonflikte frühzeitiger identifizierba
r wären. So könnte sichergestellt werden,
dass konkurrierende normative Ansprüche nicht nur artikuliert werden können, sondern
auch die Chance haben, als berechtigte Ansprüche Anerkennung zu finden.
Exemplare
Ex.nr. Standort
8222 Dok
Anhang URL: http://www.hsfk.de/fileadmin/downloads/report0514.pdf

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